Partizipative Klimapolitik: Eine effektive Strategie für den Klimaschutz?

2020 veröffentlichte Österreich freiwillig den Nationalen Bericht zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele / SDGs (FNU). Dazu gab es viel Lob von der Regierung und viel Kritik von NGOs. Wie weit muss die Klimakrise fortschreiten, damit echte und wirksame Klimapolitik betrieben wird? Damit Emissionen im großen Stil reduziert werden und wir im Globalen Norden nicht länger auf Kosten des Südens leben? Was also muss getan werden, um Leben nachhaltig zu verbessern und damit einhergehend globale Ungleichheit zu bekämpfen? Wer hat darüber die Entscheidungsmacht und Verantwortung? Am 01. Dezember lud Monika Austaller vom Paulo Freire Zentrum zur achten Ausgabe der Global Inequality Talks. Über die Fragen diskutierten Astrid Rössler (Die Grünen) und Ernest Aigner (Wirtschaftsuniversität Wien).

Mitteleuropa lebt über seine Verhältnisse.

Seit einem Jahr sei die österreichische Politik zwar schon sehr viel aktiver als zuvor, trotz allem müsse es aber noch mehr Aktivitäten im Klimaschutzbereich geben, fordert Ernest Aigner. Und auch Astrid Rössler betont, dass wir allgemein effizienter werden und im Sinne der Suffizienz leben sollten. Warum nicht einmal mehr zum Reparaturladen gehen, anstatt direkt in ein neues Gerät zu investieren? Zwar trage der Hausmüll “nur“ 6 Prozent zum Gesamtabfallaufkommen in Österreich bei, das Aushubmaterial summiere sich dagegen jedoch auf 60 Prozent. Diese Zahlen unterstreichen auch den hohen Boden- und Materialverbrauch in Mitteleuropa, der laut Rössler in einem zu großen ökologischen Fußabdruck resultiert.

Effiziente Infrastruktur statt Asphaltwüsten.

Dieser enorme ökologische Fußabdruck ist auch Folge von zu vielen Emissionen durch den Verkehr. Rössler ist der Meinung, dass ein Ausbau der öffentlichen Infrastruktur und eine Förderung der aktiven Mobilität einen großen Schritt in der Klimapolitik bedeuten würde. Aktive Mobilität, das ist jede Art von Fortbewegung durch die eigene Muskelkraft. Diese zu fördern verlange auch eine bessere Radanbindung in den Städten und vor allem den Ausbau der Radwege. Zwar sei die Infrastruktur ein großer „Bodenfresser“, Raumordnung sei aber letztendlich Sache der Länder. Die Raumordnung müsse deshalb gesondert kritisch reflektiert werden, um effektiv schnelle Maßnahmen umsetzen zu können. Dort wo Siedlungsentwicklung stattfindet, müsse die gesamte Infrastruktur fußläufig sein, so Rössler. „Es ist an der Zeit, die Verkehrs- und Straßeninfrastrukturnicht immer an den maximalen Erfordernissen anzupassen, sondern eher an den minimalen“, sagt Rössler. Und auch Aigner möchte keine Asphaltwüsten mehr sehen, sondern eine verbesserte Siedlungsentwicklung vorantreiben. Bisher sei die Infrastruktur nämlich vor allem dort ausgebaut, wo es ein hohes Verkehrsaufkommen gebe. Die CO2-Steuer sei, so Astrid Rössler, ein Schritt in die richtige Richtung. Um die Emissionen des Verkehrs aber wirksam drücken zu können, seien größere Schritte notwendig.

Klimacheck für Alles.

Ernest Aigner setzt nicht nur auf veränderte Rahmenbedingungen, sondern schlägt eine Änderung des SDG#8, menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, vor. Im Hintergrund des Ziels stünden nämlich große wirtschaftliche Interessen und mächtige Finanzmarktakteur*innen. Er plädiert für eine konzeptuelle Untersuchung im Sinne eines Klimachecks und setzt sich für den Rückgang des globalen Wirtschaftswachstums ein. Österreich brauche ein deutlich niedrigeres Verbrauchsniveau, um die Klimaziele zu erreichen. Auch der Begriff der „menschenwürdigen“ Arbeit müsse überarbeitet werden. Denn es gebe eine ganze Reihe an Jobs, die tatsächlich zur Umweltverschmutzung beitragen würden. Von so einer schlechten Arbeit solle keine*r abhängig sein. In diesem Zusammenhang hinterfragt Rössler zudem den Begriff der Menschenwürde und bezieht sich auf das 2020 in Deutschland beschlossene Lieferkettengesetz. Wo aber soll die Menschenwürde angelegt werden? Reicht dazu ein Lieferkettengesetz, das transparente Warenketten fordert, und wirkt sich das tatsächlich auf die Produktion und die Lebensverhältnisse der Arbeitnehmer*innen aus? Denn eine gewisse Entwicklung im Sinne von Wachstum sei gerade dort, wo die Armut sehr hoch ist, notwendig, so Rössler. Deshalb müssten regionale Unterschiede gemacht werden zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden.

Klimaschutz durch Partizipation.

Monika Austaller resümiert, dass die Klimakrise eine bedeutende politische Verantwortung darstelle, die mit einem großen Eingriff der Staatsgewalt einhergehe. Trotzdem könne der Herausforderung der Klimakrise nur partizipativ begegnet werden. Braucht es dazu eine Stärkung der Demokratie? Ganz klar ja, findet Aigner. Im Zuge der Covid-19-Pandemie fühlten sich viele Bürger*innen von den Maßnahmen der Regierung zu stark in ihren Rechten eingeschränkt – warum aber würden wir eine solche Hierarchie am Arbeitsplatz ganz selbstverständlich akzeptieren? Aigner spricht sich für mehr Demokratie am Arbeitsplatz aus, denn nur so sei die Umorientierung hin zu klimafreundlichen Unternehmen möglich. Zudem könne es in westlichen Demokratien Klimaschutz nur durch eine demokratische Basis geben. Ein Beispiel dafür sei der Bürger*innenrat, der aus einer Gruppe zufällig ausgeloster Bürger*innen besteht und im Rahmen dessen gemeinsam Lösungen für politische Probleme erarbeitet werden. Dieser Bürger*innenrat sei eine wirksame Art, Bürger*innenbeteiligung zu fördern und gemeinsam mit der Politik über lebensweltnahe Themen zu beraten, stellt Rössler fest. Zu klären bleibt, wie stark das Mandat, das dieser Rat bekommt, tatsächlich ist. Welche Wirkungsmacht erlangen die partizipativ erarbeiteten Ergebnisse?

Ein großer Schritt für die Menschheit, ein kleiner Schritt für das Klima.

Die Teilnehmenden des achten Global Inequality Talks konnten sich vor und nach der Diskussion an einer Umfrage beteiligen: wer kann echte Klimapolitik durchsetzen? Sowohl davor als auch danach waren sie der Einschätzung, dass die Kompetenzen dazu bei der Regierung (>90%) und dem Parlament (>60%) liegen. Nach der Diskussion sehen aber viele auch den Klima-Bürger*innenrat, innovative Unternehmen und Klimaaktivist*innen deutlich stärker in einer einflussreichen Rolle. Auf Plastik verzichten, Second-Hand (dt.: gebrauchte) Produkte bevorzugen und das Klimaticket statt das eigene Auto nutzen. All das sind Dinge, die mehr und mehr zum Trend werden – und werden müssen. Trotzdem entzieht das der Politik nicht ihre Verantwortung. Die Bürger*innenbeteiligung ist also eine wichtige Kontrolle und Möglichkeit, auf die Bedürfnisse und Sorgen der Bevölkerung in der Klimakrise eingehen zu können. Zudem stellt sie einen bottom-up (dt.: von unten nach oben) Ansatz dar. Allein darauf kann und darf in dieser brennenden Thematik aber nicht Verlass sein – es braucht nationale und globale, rechtliche Verpflichtungen. Diese müssen mit bindenden Abkommen einhergehen, um Klimaschutzmaßnahmen wirksam um- und durchsetzen zu können. Mit kleinen Schritten anfangen ist besser als nichts, um aber die Klimakrise noch stoppen zu können, braucht es viel mehr Mut.

 

Die Autorin ist Praktikantin im Paulo Freire Zentrum. Reaktionen bitte an redaktion@pfz.at.

Titelbild: The pit © Steve Walser. Flickr. All creative commons license.

Veröffentlicht in Allgemein, Thema Globale Ungleichheiten.